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19. Februar 2013 2 19 /02 /Februar /2013 12:40

Liebe Leserinnen und Leser,

das folgende Inerview ist ein Auszug aus einem Artikel in der "Fraternité" der Zeitung der algerischen Arbeiterpartei (PT), mit dem Vorsitzenden der Partei Afrikanische Solidarität für Demokratie und Unabhängigkeit (SADI) vom Dezember 2012.

Auch wenn das folgende Interview mit Sissiko Cheik Oumar aus dem letzten Jahr stammt, ist seine Aktualität ungebrochen. Nicht nur, dass der Krieg in Mali auf unabsehbare Zeit anhält; am 11. Februar wurde Oumar Mariko, Generalsekretär und ehem. Präsidentschaftskandidat der SADI, von bewaffneten Regierungstruppen ohne Angabe von Gründen oder eines Zielortes mitgenommen und zwei Tage festgehalten.

Wir als Initiative für eine unabhängige Jugendorganisation sind uns über die schwer überschaubare Lage in Mali im Klaren, aber wir sind gleichzeitig der Meinung, dass wir Jugendlichen das Recht auf authentische Informationen aus der Region haben.

Wir lehnen die Intervention in Mali und deren Unterstützung durch die Regierung Merkel ab!

Wir verurteilen die Entführung politisch unliebsamer Gegner!



Hinter dem Marsch in den Krieg stecken „kolossale Interessen“

 

»Fraternité«: Können Sie uns, angesichts der Gefahr einer militärischen Intervention die sich

gegen Mali einen Überblick über die letzten politischen Entwicklungen geben?

Sissiko Cheik Oumar: Lassen Sie mich meine Hochachtung für Ihre Partei, die Arbeiterpartei (PT), und Ihre Nation zum Ausdruck bringen, die vor einem halben Jahrhundert in harten Kämpfen und zum Preis von vielen Opfern ihre Unabhängigkeit erobert hat.

 

In mehreren westlichen Hauptstädten sind heute Szenarios im Gange, um die Kosten der Krise des Kapitalismus auf die Völker abzuwälzen.

 

In dieser Hinsicht ist Libyen das erste Opfer, und wahrscheinlich sollte Algerien folgen; doch zum Glück für Ihr Land konnte dieses Katastrophenszenario soeben noch vermieden werden. Die Mobilisierung zu allererst durch Ihrer Partei und die Positionen der algerischen Regierung gegen den Krieg haben diese Gefahr zurzeit abgewendet.

 

Leider ist Mali ein direktes Opfer der Nato-Intervention in Libyen. So hat sofort nach dem Sturz des Gaddafi-Regimes ein Konvoi schwerbewaffneter Männer die große Wüste, die eigentlich von amerikanischen Satelliten überwacht wird, unbemerkt von der Welt durchquert. Als Eroberer sind sie im Norden Malis eingedrungen.

 

Die schnelle Niederlage der regulären Armee von Mali erklärt sich einerseits durch ihre schlechte Ausrüstung, und andererseits durch die logistische Überlegenheit der verschiedenen bewaffneten Gruppen, die ihr Arsenal in Libyen aufgestockt haben.

 

Die chaotische aktuelle Situation wird von den Regierungen der Großmächte ausgenutzt, um gefügige Persönlichkeiten, die eine Politik im ausländischen Interesse betreiben, an die Spitze des Staates Mali zu setzen. Der von den Militärs am 12. Dezember abgesetzte Ministerpräsident wollte die ausländische Militärintervention beschleunigen. Deshalb haben die Einwohner von Mali nicht auf seine Absetzung reagiert.

 

Wir wollen einen Dialog zwischen allen zivilen Kräften in Mali, um die aktuelle Situation zu überwinden.

 

Die territoriale Unversehrtheit und die Nichteinmischung des Auslands sind die zwei Hauptpunkte, die die Einwohner von Mali einen müssen.

 

Wahlen ohne die Bewältigung der aktuellen Probleme sind keine Lösung. Es war übrigens der Wille des Ex-Präsidenten Amadou Toumani Touré, eine dritte Amtszeit anzustreben während das Land auseinander bricht (laut Verfassung sind nur zwei Amtszeiten möglich), die das Militär am 22. März veranlasst hat, ihn abzusetzen.

 

Seitdem haben sich die Ereignisse v.a. durch die Nationale Bewegung für die Befreiung von Azawed (MNLA) beschleunigt. Diese Bewegung, die politisch und finanziell von Frankreich unterstützt wird, hat die Unabhängigkeit von Nord-Mali proklamiert, d.h. die Teilung Malis. Die westlichen Länder manipulieren und agieren für die Zersplitterung unseres Landes und der gesamten Sahelzone.

 

Die Vervielfachung terroristischer Gruppen, sowie aller Arten des Schwarzhandels und Drogenschmuggels sind die Hauptaktivitäten in Nord-Mali. Das ist eine Folge der Verträge von 1994, die eine symbolische militärische Präsenz im Norden vorsahen. Dieses organisierte Chaos wird heute genutzt, um den Marsch in den Krieg zu rechtfertigen.

 

In den Medien verschwiegen werden die kolossalen und strategischen Interessen in dieser großen Region von Mali. Erdöl, Uran, enorme Grundwasservorräte, landwirtschaftliche Flächen… all das begehren die multinationalen Konzerne aus Frankreich, Katar, USA… 

 

Nicht zu vergessen der Flughafen von Tassalit (nahe Kidal), den die Amerikaner und Franzosen in eine große Militärbasis für die Überwachung und Kontrolle der gesamten Sahelzone, des Mittelmeers und Roten Meers verwandeln wollen. Das wäre eine Militärbasis, die große Militärflugzeuge aufnehmen könnte und die außerdem unerreichbar und unangreifbar wäre, weil sie mitten in der Wüste liegt.

Man muss auch die äußerst schädliche Rolle von Katar betonen, das verschiedene islamistische Banden finanziert und bewaffnet. Dieses Land handelt klar als Helfershelfer der Politik des Imperialismus in Afrika und im Nahen Osten.

 

Die humanitären Hilfslieferungen werden direkt von den Geberländern verwaltet, und die Behörden wissen nicht, was tatsächlich verteilt wird. Es gibt den berechtigten Verdacht, dass über Kisten, die angeblich Lebensmittel enthalten, Waffen verteilt werden.

 

Wie in Libyen berichten inoffizielle Informationen von heimlichen Verträgen zwischen den Konzernen und Katar für die Aufteilung der Ölvorkommen in Nord-Mali.

Im Gegensatz zu dem, was die Medien glauben machen wollen, hat sich das malische Volk mehrfach massiv gegen den Krieg mobilisiert und lehnt es ab, dass die Cédéao (Wirtschaftsgemeinschaft der westafrikanischen Staaten, d. Üb.), die unter französischem Einfluss steht, die nationale Souveränität angreift. (…) Es war die Mobilisierung des Volkes, die die Ankunft von Alassane Ouattara in Bamako verhindert hat, der bei der Einsetzung einer „legitimen“ Regierung helfen wollte, um die ausländische militärische Intervention zu rechtfertigen.

 

»Fraternité«: Was ist Ihrer Meinung nach die Lösung?

Sissiko Cheik Oumar: Weil alle Länder der Region von den aktuellen Entwicklungen betroffen sind, muss die Solidarität zwischen den Völkern zum Ausdruck kommen, und die politischen und gewerkschaftlichen Kräfte der Länder der Region müssen versuchen, ihre Anstrengungen zu vereinen, um bei der Organisierung der Verteidigung unserer jeweiligen Länder zu helfen.

 

»Fraternité«: Es entsteht die Notwendigkeit, eine 2. Sitzung der Dringlichkeitskonferenz

gegen die Besetzungskriege und Plünderung durchzuführen. Was ist Ihre Meinung

darüber?

Sissiko Cheik Oumar: Unsere Reise nach Algier, um ausschließlich PT-Vertreter zu treffen, gehört zu der Suche nach Mitteln, um den Krieg gegen mein Land zu verhindern. Zur Rettung der Nationen und um den Völkern, Arbeitnehmern und Jugendlichen zu ermöglichen, von den Reichtümern ihrer jeweiligen Länder zu leben, müssen wir uns gegenseitig helfen.

Aus allen diesen Erwägungen heraus wird die Partei SADI ihre gesamte Energie in die Vorbereitung dieser 2. Sitzung der Dringlichkeitskonferenz, an der wir im Dezember 2011 teilgenommen haben, stecken.

Wir werden sie mit den Gewerkschaften meines Landes vorbereiten und unsere Partner vom Bündnis der afrikanischen Linksparteien (ALNEF) über diese Initiative informieren, um eine große Beteiligung zu erreichen, die im Kampf gegen den Krieg wichtig ist.

 

Das Gespräch führte R. Y. T.

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15. Dezember 2012 6 15 /12 /Dezember /2012 16:21

Mit einiger Verspätung veröffentlichen wir hier ein Interview mit Ilias Karalis. Die Lage in Griechenland hat sich mittlerweile wesentlich mehr zugespitzt. Daher empfehlen wir euch den Artikel "Griechenland: Eine Gesellschaft stürtzt ins Bodenlose" auf faz.de. Das Interview mit Ilias geht allerdings weiter als eine Situationsbeschreibung. Es geht ihm auch darum die Situation zu erklären. Wir hoffen, ihr könnt euch ein Bild machen.


Interview mit Ilias Karalis, Teilnehmer und Redner auf europäischen Treffen gegen die Ratifizierung des ESM und des Fiskalpakts vom 30. Juni in Köln

 

Ilias Karalis, ein junger Mann in den Dreißigern, sitzt mit uns auf dem Hof der Alten Feuerwache, wo er, nachdem er auf dem europäischen Treffen gegen die Ratifizierung des ESM und des Fiskalpakts einen Redebeitrag gehalten hat, schon wieder fast auf dem Weg zum Flughafen ist. In Griechenland trifft er sich regelmäßig mit Freunden und Mitstreitern - auch aus anderen europäischen Ländern - und versucht sich gegen die Maßnahmen der Troika zu wehren.

 

Bulletin: Ilias, unsere Leser sind Jugendliche, Studenten und Schüler. Kannst du uns von der Situation der Jugendlichen in Griechenland berichten?

Ilias: Ich bin zwar kein richtiger Jugendlicher und studiere auch nicht mehr, aber ich möchte es versuchen. Ein wenig Kontakt zu Studenten habe ich noch, da ich bis vor Kurzem noch aus Interesse eingeschrieben war. Die Hälfte der Jugendlichen in Griechenland ist arbeitslos. Wir haben es zu tun mit einer Welle der Hoffnungslosigkeit. Die Jugendlichen wollen am liebsten ihre Heimat verlassen. Viele tun dies auch. Sie sind es, die mit am schlimmsten durch die Sparprogramme getroffen werden.

Und speziell die Universitäten? Kannst du uns von den dortigen Auseinandersetzungen berichten?

An den Unis hat man bis vor Kurzem versucht die „Goldene Regel“ bzw. das Spardiktat durchzusetzen. Man wollte die Regel einfach übertragen. Gleichzeitig versuchte die Regierung auf Druck der Troika eine Reform durchzusetzen, die die Strukturen der Hochschulleitung verändert, sie mit nicht-akademischen Mitgliedern besetzt und den Haushalt umstrukturiert.

Aber die Studentenschaft hat sich dagegen organisiert und erreicht, dass die Pläne vorerst auf Eis gelegt wurden. Die neue Regierung wird es aber sicherlich wieder versuchen.

Das kann ich mir vorstellen. Wenn ich richtig verstanden habe, handelt es sich dabei um ähnliche Reformen wie jene, die hier bei uns vor ein paar Jahren eingeführt wurden. In NRW heißt das Gesetz „Hochschulfreiheitsgesetz“.

Dann erzähl uns doch vielleicht jetzt etwas von dir. Und hast du Syriza gewählt?

Ich bin Vermessungsingenieur und komme aus Nafplio. Was Syriza betrifft, da bin ich wohl ein typisches Beispiel. Einen Monat vor der Wahl hätte ich selbst noch nicht daran gedacht diese Partei zu wählen, und auch Tsipras, der Parteichef war und ist mir nicht besonders sympathisch. Aber in unserer Situation in Griechenland war Syriza die einzig logische Konsequenz. Syriza steht uneingeschränkt für die Ablehnung und Aufkündigung des „Memorandums of Understanding“ mit der Troika – also der Sparpläne – und für die Einheit in diesem Kampf.

Aber warum hat dann Syriza nicht gewonnen?

Zuerst muss man sagen, dass sich sehr viele, aufgrund des Wahlergnebnisses im Mai, dazu entschieden haben, Syriza zu wählen. Insofern handelt es sich um einen Sieg der Bevölkerung und der Memorandumsgegner. Aber gleichzeitig gab es diesen ungeheuren Druck, der gegenüber der Bevölkerung aufgebaut worden war. Die Wahl ihres Parlaments wurde von einer Wahl pro/contra Memorandum, zu einer Wahl pro/contra Euro. Man versuchte ihnen weißzumachen, dass sie über ihren Erhalt in der EU abstimmen. Da bekamen es selbst einige von denen, die gegen das Memorandum sind, mit der Angst zu tun, und wählten dann den Euro. Viele hoffen jetzt nach den Wahlen erst mal auf eine Laufzeitverlängerung des Memorandums. Aber es ist abzusehen, dass sich die Angriffe auf die Rechte und Errungenschaften der Bevölkerung noch verstärken werden, wodurch auch der Widerstand wachsen wird. Es werden Leute aktiv werden, die bis jetzt noch nicht gekämpft haben. Das ist klar. 

Was denkst du denn über die KKE, die Kommunistische Partei Griechenlands? Warum haben sie in so einer Situation an Stimmen verloren.

Bei der KKE handelt es sich um eine kleine Gruppe, die immer für das NEIN gestanden haben. Auch nach den Maiwahlen. Als sie in den Maiwahlen nur 8% erhalten hatten, riefen sie die Wähler auf: Korrigiert eure Stimme! Sie haben sich nicht für eine überparteiliche Einheit gegen das Memorandum ausgesprochen, sondern wollten nur selber noch mehr Stimmen. Dafür wurden sie abgestraft, indem ihr Anteil von 8 auf 4 Prozent fiel. Wer in so einer Situation nicht für die Einheit ist, wird weggefegt. Ihre generelle Position ist: erst muss man „erleuchtet“ und „erzogen“ sein, dann kann man erst richtigen Widerstand oder gar eine Revolution machen. Sie haben nichts zu tun mit dem richtigen Leben.

Wir in Griechenland befinden uns in einer Situation, wo die Demokratie einem Schönheitswettbewerb oder einer Castingshow im Fernsehen ähnelt: deine Stimme, auch wenn du sie abgibst, ist nichts wert. Ich denke, das wird auch hier in Deutschland passieren.

Aber denkst du nicht, dass der Widerstand eine Perspektive bietet?

Doch. Hier auf dem Europäischen Treffen haben sich viele für die Rückeroberung der Gewerkschaften ausgesprochen. Sie sind hier das Mittel des Kampfs der Arbeitnehmer. Aber bei uns waren die Gewerkschaften nie so stark. Ich denke, die Perspektive in Griechenland muss sein, sich von dem enormen Druck zu befreien, der auf den Menschen liegt, aber auch von der Scham und der Selbstanzeige, für die derzeitige Situation verantwortlich zu sein. Wir können dies schaffen, indem wir uns im Kleinen organisieren, versorgen und diskutieren. So kann man dann wirklich kämpfen. Ich glaube auch, Syriza wird noch viele Mitglieder bekommen.

Aber das, was hier besprochen wurde, ist auch sehr wichtig. Ich werde davon berichten.

Im Übrigen ist es für uns in Griechenland wichtiger, dass man hier in Deutschland die direkten Errungenschaften und Rechte verteidigt, auf die wir uns auch berufen, als allgemeine Solidaritätsbekundungen zu äußern. Indem ihr hier eure Uni verteidigt, helft ihr auch den Studenten in Griechenland. 

Du sagtest, die Leute denken, sie seien selbst an ihrer Lage schuld. Wie soll ich das verstehen?

Das ist so ähnlich wie hier. Es gibt keine unabhängigen Medien. Und man bringt den Leuten bei, dass sie selbst erst dafür gesorgt haben, dass sie in diese Situation gekommen sind. Entweder ökonomisch oder weil sie sich nicht früh genug gewehrt hätten. Aber das ist nicht das Problem. Im Übrigen genauso wenig wie Deutschland und Merkel das Problem der Griechen ist. Es ist die EU als System.

Kannst du zum Abschluss nochmal beschreiben, wie sich die Krise auf deine persönliche Lebenssituation auswirkt?

In meinem Redebeitrag vorhin habe ich ja schon beschrieben, wie ich vor Kurzem für eine kleinere OP, vorher selbst in die Apotheke gehen musste, um Verbandszeug und Medikamente zu kaufen, weil es einen Mangel an solchen Dingen im Krankenhaus gegeben hat. Und ich habe ja auch schon von meinem Vater erzählt. Ihm wurde die Abfertigung bei Pensionsantritt durch den Schuldenschnitt um die Hälfte gekürzt, weil man in Griechenland die Leute zuvor dazu gezwungen hatte, sich mit Abfertigungscoupons/Staatsanleihen zu begnügen, die am Geldmarkt abgesichert waren. Die Auszahlung hätte 2012 erfolgen sollen, erlag aber dann einerseits dem Schuldenschnitt und andererseits wurde die Auszahlung des Restbetrags nun auf den Zeitraum zwischen 2020 und 2042 verlegt. Solche Ausmaße nimmt die Erpressung der Bevölkerung an. Man hat vorher auch immer nur davon gesprochen, dass die Schulden an die Banken nicht gezahlt würden, jetzt spricht man davon, dass wir Griechen das Geld den Steuerzahlern der anderen Länder schulden.

Und nicht nur der Mensch wird bei diesem Feldzug angegriffen, auch die Natur leidet. Im Norden Griechenlands werden nun so eine Art Sonderwirtschaftszonen eingerichtet, wo die Firmen damit gelockt werden, weniger Steuern zu zahlen und geringere Umweltschutzmaßnahmen vornehmen zu müssen. Sie dürfen die Abwässer direkt ins Meer leiten.

Vielen Dank für deine Zeit und hoffentlich bis bald.

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